28.03.2024

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Da kommen selbst die Ritter ins Schwitzen


(Fotos: Thomas Wilken)

(tom) Da wird es dem Ritter warm unter seiner Rüstung: Der Samstag bringt beim 43. Hirschhorner Ritterfest Temperaturen von über 30 Grad, was selbst die tapferen Recken aus Tschechien von „Fictum“ schwitzen lässt. Aber die sind Profis: Beim 43. Hirschhorner Ritterfest schwingen sie beim Schaukampf trotz Hitze in voller Montur Schwerter, Schilde, Äxte und Lanzen. Mit ihren launigen Sprüchen und viel Witz sind sie die Lieblinge des Publikums.

Ob es damals war, vor mehr als 600 Jahren, oder heutzutage: Schlechtes Wetter gibt es eigentlich nie, wenn die Ritter rufen. Am heißen Samstag ließen sich einige Besucher bis zum frischeren Abend Zeit um vorbeizuschauen. Aber dann umso länger. Der kühlere Sonntag beschert der Zeitreise ins Mittelalter dann wieder einen sehr starken Besuch, sodass Hirschhorn mit mehreren tausend Besuchern aus allen Nähten platzt. 90 teilnehmende Gruppen, Händler, Handwerker und Künstler zählt der Markt praktisch jedes Jahr.
Auf dem Rathausplatz findet die feierliche Eröffnung statt, zu der alle Beteiligten mit aufgelaufen waren. Präsident Klaus-Jürgen Ehret findet wohlgesetzte Worte für die „Edlen aus Politik, Adel und Klerus“, die es aufs Neue an den Neckar gezogen hat. Vor 1246 Jahren, 773, schenkten die Mönche die Siedlung in Ersheim dem Kloster Lorsch, was die erste urkundliche Erwähnung der Stadt bedeutete.
Marktvogt Dieter König verliest die diversen Marktregularien, an die sich jeder zu halten hat. „Wer frevelt und tut Sünden, dem will ich jetzt noch künden.“ Finanzhaie sind nicht gerne gesehen: „Wer Wucher treibt, ein armer Wurm, sitzt fünf Tage im Pulverturm“, warnt er. Außerdem: „Wer sticht mit Messer, Dolch und Schwert, sitzt auf dem Pfahl, bis er bekehrt.“ Ins Programm führt der letzte Hirschorner Ritter, Friedrich, alias Hans-Jürgen Waibel ein.
Ein Markenzeichen des Ritterfests ist immer das große Handwerkerdorf mit unzähligen Mitwirkenden, wo man das alte Brauchtum aus vergangenen Jahrhunderten live erleben kann. Dort lässt sich den zahlreichen Künstlern über die Schulter schauen und so manches über die alten Handwerke erfahren.
Etwa der Wippdrechsler Johannes Brenner, der seit 20 Jahren den weiten Weg von Meinerzhagen in Nordrhein-Westfalen an den Neckar auf sich nimmt. „Ich weiß, dass heute junge Frauen an meinen Stand kommen, an die ich mich noch erinnere, wie sie als kleine Mädels mit Opa die Wippdrechselbank bedient haben“, meint er verschmitzt.
An seinem Stand ist immer Betrieb. Die 1000 Jahre alte Möglichkeit, mit eigenen Händen aus einem knorrigen Stück Holz ein besonderes Andenken herzustellen, zieht heutzutage immer noch. Sogar Kinder können unter fachkundiger Anleitung auf Zugbank und Kinderdrechselbank selbst Hand und Fuß anlegen und sich ihr eigenes Hölzlein erarbeiten.
Der 52-jährige Silber- und Bronzeschmied Thomas Eisermann aus Ober-Olm findet es gut, „dass es hier so viel vorführendes Handwerk gibt“. Hirschhorn ist „ein sehr angenehmer Markt mit supernetten Veranstaltern, die sich um alles kümmern“. Nur knapp 20 Kilometer muss Frank Derikatz aus Wald-Michelbach an den Neckar zurücklegen. Der Lederer „macht wirklich alles selbst“, wie er betont: Gürtel, Taschen, Schnallen, Schließen und vieles mehr. Ein kleiner Abstecher in die aktuelle Politik inklusive.
Buchdrucker Dieter Steiner sieht aus wie Johannes Gutenberg. Er macht den „Job“ mit viel Herzblut. Ihm tut es in der Seele weh, dass er für seine Druckwerkstatt noch keinen Nachfolger gefunden hat. Seit 2002 steht der 79-Jährige auf den Mittelaltermärkten und will langsam mal an die Rente denken. Aber man lässt ihn nicht, schmunzelt er. Und so geht’s Jahr für Jahr weiter auf die historischen Veranstaltungen.
Ganz auf die Bedürfnisse der kleinen Prinzessinnen ist Hans Franzisko mit den Burgfräuleinkränzen eingestellt. Der 70-jährige Hirschhorner ist ein Urgestein der Szene, der als Rentner „endlich“ viel Zeit hat und das Heimspiel genießt. Gutgelaunt sitzt er am Stand und baut die Bogen für die kleinen Ritter zusammen.
Die Glasmalerei ist eine traditionelle handwerkliche Technik mit einer über tausendjährigen Geschichte. Demonstriert wird sie von Martina Mechler-Flachs aus Eberbach. Seit über zehn Jahren baut Drehleierbauer Fritz Hirsch Instrumente. Er hat sich ganz dem Holz gewidmet, dem die Töne des Mittelalters entlockt werden.
Die Liebe zum Bogenbau in der Familie Siebert begann mit Großvater Adolf, der bereits 1948 mit dem Handwerk in der damaligen Wagnerei begann. Martin und Petra Bauer stellen den Beruf des Flachsbauers und -webers dar. Sie zeigen die Entstehung des Leinenstoffes von der grünen Flachspflanze bis zum fertigen Stoff
Dabei als Künstler außerdem: Nikodemaus, Kampfhus, Fabian le Corbeau, Musica Canora und Irregang. Abends fand die große Feuershow mit „Chapeau Claque Rouge“ statt. Beim Tavernenspiel erlebten die Besucher noch einmal alle Akteure zusammen. Viel Applaus war den Akteuren für ihre Darbietung gewiss.


01.09.19

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